Liebe Kempener Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Gäste, sehr verehrte Damen und Herren der Verwaltung und der Presse, liebe Ratskolleginnen und -kollegen, sehr geehrter Herr Bürgermeister, Veränderung liegt nicht nur in der Luft, Veränderung und Wandel sind angekommen – auch in Kempen. Neue Techniken wie aktuell die Digitalisierung und gesellschaftliche Umbrüche hin zu klimafreundlichen Städten hat es immer schon gegeben, aber die Geschwindigkeit des Wandels ist neu, und sie ist extrem.
Soweit der Abschluss unserer letzten HH-Rede von vor 9 Monaten.
Vor diesem Hintergrund der Geschwindigkeit ist vorausschauendes Handeln der Entscheidungsträger aus Politik und Verwaltung umso mehr gefragt. Schließlich gilt es, die Infrastruktur Kempens für alle Eventualitäten zukunftsfit zu machen und sich dabei möglichst viel Flexibilität zu erhalten.
Anrede
Wenn wir im Alten verharren, verpassen wir die Zukunft. Beispielhaft seien hier nur die KiTas, Grundschulen, Sportstätten und im Besonderen der Schulcampus genannt. Jede nicht durchgeführte Sanierung in der Vergangenheit an die aktuellen technischen Standards einer modernen, auf Zukunft ausgerichteten Infrastruktur kommt uns heute teuer zu stehen. Und dabei bewege ich mich nur auf dem technischen Gebiet. Ja – unsere HH waren in der Regel in den letzten Jahren ausgeglichen. Wir hätten also tun können, wenn denn ALLE aus Verwaltung und Politik den Mut dazu gehabt hätten, und die seit Jahren notwendigen Investitionen nicht auf die lange Bank geschoben hätten.
Anrede
Auf die lange Bank schieben ist weder nachhaltig noch enkeltauglich. Dennoch glaube ich, dass wir jetzt immer noch die Möglichkeit haben, den Schalter auf Zukunft umzustellen.
Dazu bedarf es jedoch eines nachhaltigen Konzeptes und im Gegenzug auch einer eindringlicheren Begleitung durch die Politik. WIR als Politik müssen definieren, welche Erwartungen wir an die Verwaltung haben. Es liegt an uns, Möglichkeiten schaffen. Natürlich haben wir den sog. Qualitätsoffensiven KiTa und OGS zugestimmt, dennoch ist auch hier wieder nur ein Reparaturmodus erkennbar (erneuerungsbedürftige Möbel/Ausstattungen – also Selbstverständlichkeiten). Auch jetzt wird wieder nur das Notwendigste gemacht ohne ein Konzept dahinter zu haben, wo wir denn in 5 Jahren mit unseren KiTas und OGSen sein wollen.
Jahre zurückliegende Hinweise aus der Elternschaft, den KiTas oder aus Teilen der Politik haben sich in der Vergangenheit im Dschungel der beteiligten Dezernate verloren (erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Aktion, als Grüne eine „Toilettenbesichtigungstour“ durch KiTas und Schulen gestartet sind). Ich komme noch mal auf den Schulcampus zurück. Wir hatten im letzten BauA im November d. J. einen Neubau nach den Grundsätzen der zirkulären Wertschöpfung mit einer belastbaren Kostenaufstellung beantragt und ein MINT-Gebäude im Rahmen einer schulübergreifenden Fachraumnutzung der weiterführenden Schulen vorgeschlagen. Das Anliegen ist dann mangels eines pädagogischen Konzeptes in den nächsten BauA in 2019 vertagt worden. Das nun aktuell angedachte pädagogische Konzept mit seinem Raumprogramm bleibt leider in der Gegenwart stecken. Wenn ich mich hier so umsehe, entscheidet hier im überwiegenden Maße die Generation 50 +, wenn nicht sogar 60 + über die Enkelgeneration ohne ein zukunftsorientiertes Raumprogramm jetzt schon mitzudenken. Da können wir noch so viel Digitalisierung an Schulen ermöglichen, wenn wir uns nicht trauen, die Methoden und die dazugehörigen Raumprogramme der zukünftigen Wissensvermittlung weiterzuentwickeln, um eine entsprechende Lern- und Aufenthaltsqualität anzubieten, damit Schule als Lern- und Lebensort angenommen werden kann.
Moderne Raum- und Gebäudekonzepte werden als Orte des Lernens und Lebens verstanden. Das Lernen des 21. Jahrhunderts ist das entdeckende und das kooperative Lernen. Es geht über eine reine Wissensvermittlung hinaus und beinhaltet unter anderem auch die Vermittlung von Fähigkeiten zum eigenständigen Wissenserwerb. Der ausschließliche traditionelle Frontalunterricht im Klassenraum entspricht nicht mehr den aktuellen pädagogischen Konzepten und wird zunehmend durch Angebote abgelöst, die eine individuelle Förderung des einzelnen Kindes oder Jugendlichen im Schulalltag ermöglicht.
Aber zurück zu den technischen Aspekten des Neubaus Schulcampus.
Nach meinem aktuellen Kenntnisstand sollen nun Kosten für Neu- und Ergänzungsbauten ermittelt werden, und bei den neu zu errichtenden Gebäuden die Kosten einer herkömmlichen Bauweise denen einer Bauweise nach der zirkulären Wertschöpfung gegenübergestellt werden. Ich kann nur hoffen, dass die zirkuläre Wertschöpfung in diesem Verfahren eine wirkliche Chance erhält. Ich möchte dies auch gerne kurz ausführen:
Anrede
Gebäude verursachen während ihrer gesamten Lebensdauer Kosten. Dies bezieht sich sowohl auf die Errichtung als auch auf deren Nutzung bis hin zum Abriss eines Gebäudes. Bisher fokussiert sich der herkömmliche Planungs- und Bauablauf hauptsächlich auf eine Minimierung der Herstellungskosten eines Gebäudes. Die Folgekosten finden aus diesem Grund oft nur wenig Beachtung. Im Sinne einer zukunftsfähigen Bauweise sollen heutige Einsparungen jedoch nicht auf Kosten zukünftiger Nutzer (also: mal wieder unsere Enkelkinder) vorgenommen werden. Die Nutzung und der Abriss eines Gebäudes müssen noch stärkere Beachtung finden, von daher ist es nur fair, die Kosten im Lebenszyklus eines Gebäudes zu betrachten.
Dass wir mit unserer Ansicht im Kreis Viersen nicht alleine dastehen lässt sich von Aussagen unseres CDU-Landrats, Herrn Dr. Coenen, ableiten: „Wir wollen in Verantwortung für nachfolgende Generationen bauen“, so das Bekenntnis des Landrats. „Zirkuläre Wertschöpfung und nachhaltiges Bauen sind vor dem Hintergrund mangelnder Ressourcen alternativlos.“ (siehe auch Pressemitteilung des Kreises Viersen vom 16.11.2018 zum Vortrag von Dr. Coenen auf der KlimaExpo.NRW in 11_2018; LINK).
Und dies bringt uns direkt weiter zur Bauleitplanung des Kempener Westens.
Anrede
Neben einer intelligenten Mobilitätsplanung im Kempener Westen gilt es eine Bauleitplanung zu entwickeln, die -zumindest- auf städtischem Grundbesitz preisgebunden Wohnraum – auch mit einer nennenswerten Geschosshöhe – ermöglicht. Da der Baubereich zu den ganz großen Ressourcenverbrauchern in Deutschland gehört, regen wir an, uns ernsthaft darüber Gedanken zu machen, den Kempener Westen in seiner Ganzheit im Sinne eines ressourcenschonenden Wohnquartiers zu entwickeln. Vielleicht bietet sich hier auch ein Architektenwettbewerb an, um diese neuen Fragen des Städtebaus jetzt anzugehen, also Fragen der Durchlüftung sowie die Dächer und Außenwände der Häuser als Lebensraum hitzesenkend mitzudenken, um nur einige Aspekte zu bennen.
Und noch ein Wort zum Bauen: Cradle-to-Cradle können wir in 2019 mit dem Beginn eines Nachhaltigkeitskonzeptes für unsere Stadt beschließen. Ja, das wäre doch was. Bauen wir doch endlich so, dass beim Bauen am Ende kein Abfall übrigbleibt.
Anrede
Die Erwärmung der Atmosphäre führt zu einer Zunahme von Wetterextremen. Die Auswirkungen von Starkregen, Hitze- und Trockenperioden sind für ALLE spürbar. Während das Thema „Starkregen“ durch regelmäßige Medienberichte zur allsommerlichen Routine gehört, wird das Thema „Hitze“ und „Trockenheit“ maximal als zukünftige Herausforderung für die Städte prognostiziert. Dies waren unsere Ausführungen zum Thema Klima im März 2018. 9 Monate später müssen wir feststellen, dass das Thema Trockenheit uns jetzt schon erreicht hat – ich erinnere nur an die Berichte der Lokalpresse zum Entenweiher mit einhergehendem Fischsterben und den damit verbundenen Rettungsaktivitäten der Ehrenamtler des Anglervereins.
Anrede
Ökologie ist im Heute angekommen. Es betrifft nicht mehr, wie von so manch Einem hier gehofft, zukünftige Generationen, sondern uns. Wir können auch hier auf lokaler Ebene die ökologischen Herausforderungen nicht mehr nach dem Prinzip behandeln: zu spät und zu wenig. Teil-Klimakonzepte reichen nicht mehr!
Unsere lokalen Lösungen müssen sich daran orientieren: Mehr Prävention oder nur Katastrophenmangement? Erhalt von Handlungsmöglichkeiten durch Nachhaltigkeit oder warten wir weiter auf unabweisbare Notlagen? Vor diesem Hintergrund haben wir im Oktober 2018 den Antrag eingebracht, Kempen nachhaltig – auf Basis der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes NRW zu gestalten. Von den 17 Schwerpunktthemen gilt es, in einem ersten Schritt Kernthemen für Kempen herauszuarbeiten, z.B.
- gesunde Lebensumstände einschl. Barrierefreiheit für alle sicherstellen und das Wohlbefinden aller in allen Altersgruppen in Kempen fördern,
- Bildung als eine Schlüsselfunktion einer nachhaltigen Entwicklung in Kempen zu etablieren,
- vollumgreifende Maßnahmen zum Klimaschutz in Kempen entwickeln und umsetzen,
- eine belastbare Infrastruktur aufbauen, inklusive und nachhaltige Industrien fördern und Innovationen in Kempen begünstigen, damit Menschen hier bei uns ihren Arbeitsplatz haben,
- die Verfügbarkeit von sauberem Trinkwasser gewährleisten
Anrede
Da wir auf vielen Gebieten, viel vorhaben müssen wir unsere – auch politisch gewünschten Aktivitäten – mit qualifiziertem Personal ausstatten. Wenn wir uns den Stellenplan der Stadt Kempen für das HH-Jahr 2019 ansehen, sind seit Einbringung des HH viele zusätzliche Stellen durch Verwaltung und Politik für die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen auf den Weg gebracht worden. Darüber hinaus soll erneut ein Budget für „überlappende“ Stellenbesetzungen zur Verfügung gestellt werden. Bei den „überlappenden“ Stellenbesetzungen möchten wir gerne anregen, dieses Verfahren auch auf die Beigeordnetenebene auszudehnen. Bekannt ist ja, dass ein Beigeordneter zum 31.12.19 altersbedingt in Pension geht.
Anrede
Um als Stadt Kempen nach wie vor attraktiv und lebenswert zu sein wird mal wieder klar, dass unsere wichtigste Ressource neben der Finanzausstattung die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung sind. Vor diesem Hintergrund verstehen wir auch unsere Anträge zum Thema „Personalbedarfskonzept“ und „Personalentwicklungskonzept“ sowie die Entwicklung digitaler Service-Angebote im Rahmen des EGovernment in der Verwaltung der Stadt Kempen.
Meine Damen und Herren, dieser Abend endet nicht nach den Haushaltsreden und Sie werden mir vermutlich für nichts so dankbar sein, wie dafür, dass ich von der mir zustehenden Redezeit nicht vollständig Gebrauch mache. Ich nutze die Gelegenheit, um Ihnen ein schönes Fest und einen guten Start in das neue Jahr 2019 zu wünschen und bin sicher, wir werden in diesem Ratssaal im kommenden Jahr spannende, vielleicht ja sogar wegweisende Entscheidungen ausfechten. Darauf freue ich mich.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Joachim Straeten
Fraktionsvorsitzender
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