(Redemanuskript, es gilt das gesprochene Wort)
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Gäste, sehr verehrte Damen und Herren der Verwaltung und der Presse, liebe Ratskolleginnen und -kollegen, sehr geehrter Herr Bürgermeister, Den Wandel gestalten – Kempen ist lebenswert und soll attraktiv bleiben, so habe ich die HH-Rede in 2017 begonnen. Dort habe ich Sie auch auf eine Zeitreise in das Jahr 2030 mitgenommen und Ziele genannt, die ich gerne hier noch mal kurz in Erinnerung bringen möchte.
Unser Ziel ist es, auch in 2030 über eine bürger- und unternehmsnahe, qualitativ hochwertige dienstleistungs- und kundenorientierte Verwaltung zu verfügen.
Der demografische Wandel nimmt unaufhaltsam seinen Lauf und der Kampf um die besten Köpfe ist auch bei uns angekommen. Mit der Amtseinführung des neuen Technischen Beigeordneten, Herrn Beyer, ist uns sicherlich ein erster, guter Schritt gelungen. Dennoch hat Kempen auf allen operativen Ebenen einschl. der Veränderungen im Rahmen der Kindergartenentwicklung in den nächsten 10 Jahren einen hohen Personalverlust zu verkraften.
Wie sind wir darauf vorbereitet?
Haben wir einen Personalbedarfsplan?
Einen Personalentwicklungsplan, um Mitarbeitern eine berufliche Perspektive innerhalb der Verwaltung der Stadt Kempen zu eröffnen? Ist die Gleichstellung von Frauen im Berufsleben in der Verwaltung der Stadt Kempen gelebte Praxis oder eher ein Lippenbekenntnis? Ist der Wissenstransfer sicher gestellt? Verfügen wir über ein Prozeßhandbuch, das Tätigkeiten, Aufgaben und Abläufe beschreibt? Haben wir in diesem Zusammenhang auch das Thema der interkommunalen Zusammenarbeit im Blick? Sind wir als Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig, sind wir für den Nachwuchs attraktiv, können wir gute Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an uns binden, die zufrieden sind und damit die besten Werbeträger beim Wettbewerb um gute Fachkräfte sind?
Alles in Allem stellt sich die Frage, ist die Verwaltung der Stadt Kempen eine starke Arbeitgebermarke.
Im Moment kann ich in diesem Bereich noch keinen erkennbaren Fortschritt erkennen.
Ein Ausgangspunkt sich diesen Themenfeldern zu nähern, wäre die Organisationsuntersuchung aus dem letzten Jahr 2017 gewesen.
Dies läuft in meiner Wahrnehmung aber eher verhalten an. Hier wünschte ich mir, dass unser Erster Bürger der Stadt sich mit mehr Leidenschaft und Führungsoptimismus an die Spitze des Veränderungsprozesses setzt und die Leitlinien zusammen mit dem Lenkungskreis definiert.
Wenn wir uns den Stellenplan der Stadt Kempen für das HH-Jahr 2018 ansehen, sind seit Einbringung des HH viele zusätzliche Stellen für die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen auf den Weg gebracht worden. Darüber hinaus soll ein Budget für „überlappende“ Stellenbesetzungen zur Verfügung gestellt werden.
Aber hier reagieren wir wieder nur, anstatt zu gestalten. Um als Stadt Kempen nach wie vor attraktiv und lebenswert zu sein wird mal wieder klar, dass unsere wichtigste Ressource neben der Finanzausstattung die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung sind.
Ohne motiviertes und gesundes Personal auf allen Ebenen lassen sich gesetzliche Aufgaben und auch unsere Ratsbeschlüsse nicht umsetzen.
Anrede
Neben der Personalausstattung der Stadtverwaltung gilt es aber auch die Digitalisierung unserer Verwaltung jetzt schon mitzudenken. Ich möchte nur daran erinnern, dass die papierlose Verwaltung in NRW bis zum Jahr 2025 umgesetzt werden soll (und dieses Vorhaben existiert nicht erst seit gestern) [https://kommunal.de/artikel/digitale-verwaltung-nrw/].
Erste Modellprojekte laufen aktuell in Aachen, Gelsenkirchen, Soest, Wuppertal und Ostwestfalen-Lippe an. Und wir leisten uns hier in Kempen ein Rathaus II mit einer Laufzeit von 80 Jahren wohlwissend, dass uns der bisher größte Veränderungsprozess in unserem Leben, die Digitalisierung bevorsteht. Aus unserer Sicht hätten wir z. B. ein technisches Rathaus auch in St. Hubert errichten können. Dieses ist nicht zwingend in Zentrumsnähe erforderlich. Und die Digitalisierung kann uns dabei unterstützen. Aber ein Denk- und Lösungsprozess war vom BM nicht gewollt. Es gab keinen Variantenvergleich und es wurden keine Alternativen untersucht.
Stattdessen werden Millionen aufgewendet, um Grundstücke zurück zu kaufen, die wir vorher an einen Immobilieninvestor verkauft haben. Und nachdem der Investor die ursprünglich geplante Vermietung von Bürogebäuden nicht realisieren konnte, bietet dieser der Stadt Kempen alle drei Bürogebäude -sogar schlüsselfertig- zum Kauf an. Somit war auch eine grundlegende Gestaltung im Rahmen einer zukunftsweisenden ökologisch effektiven Bauweise von vorneherein ausgeschlossen – Chance vertan. (siehe auch Niederschrift Ausschuss für Liegenschaften und Wirtschaftsförderung 13.03.2017 – TOP Ö 5.1: Erwerb von 3 Büro- und Verwaltungsgebäuden im Bereich des ehemaligen Arnoldgeländes an der Schorndorfer Straße in Kempen)
Anrede
Das Grundstücksmanagement der Stadt werde ich im Verlauf meiner HH-Rede noch mal im Zusammenhang „bezahlbarer Wohnraum“ und „Sport, Bewegung und Freizeit“ thematisieren.
Beim Rathaus II konnte es dem BM nicht schnell genug gehen, bei UNSEREM Wahrzeichen der Stadt, der Burg, hat der BM eine Langsamkeit und Entscheidungsunfreudigkeit an den Tag gelegt, die kaum zu beschreiben ist. Dass das gemeinsame Engagement mit dem Kreis Viersen nicht zu realisieren ist, war seit 2015 für jeden klar und offensichtlich, da der Landrat sich hier eindeutig positioniert hat.
Insofern können wir uns glücklich schätzen, den historischen Moment der Übernahme der Burg durch die Stadt Kempen genutzt zu haben. Jetzt gilt es, weitere Überlegungen zur Gestaltung unserer Burg anzustellen, z. B. Gründung einer Arbeitsgruppe mit den Bürgern als Experten, Erstellung eines Konzeptes, Finanzierungsmöglichkeiten erschließen.
Herr Bürgermeister, sind Sie noch mit ganzer Leidenschaft und mit Herz BM dieser Stadt? Dann geben Sie uns ein Zeichen – übernehmen Sie (Führungs-) Verantwortung.
Anrede
Neben der Digitalisierung der Stadtverwaltung und im bildungspolitischen Bereich ist es eine dringliche Aufgabe bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Viele Menschen stellen sich zu Recht die Frage: Wie komme ich an eine bezahlbare Wohnung?
Dazu haben wir im letzten Jahr einen Antrag auf Gründung einer eigenen Bau- und Entwicklungsgesellschaft gestellt, der sich noch im Abstimmungsprozess befindet. Um als Stadt Kempen eine eigene Steuerungsmöglichkeit im Wohnungsmarkt zu haben ist es jedoch unabdingbar, Grundstückseigentümer zu sein. Dies kann geschehen, indem wir mietgebundene Wohnungen, die in den nächsten fünf Jahren aus der Bindung fallen übernehmen sowie aktuell vorhandene eigene öffentliche Grundstücke für bezahlbaren Wohnraum zu nutzen und diese nicht an Investoren zu verkaufen. Hier haben wir auch die Möglichkeit, den Irrsinn am Immobilienmarkt einzudämmen, da wir schon seit Jahren Spitzenreiter bei den Preisen für Miet- und Eigentumswohnungen im Kreis Viersen sind.
Unter Umständen macht es auch Sinn, öffentlichen Grund und Boden nur noch im Erbbaurecht zu vergeben mit Festlegung eines Rahmens, was darauf im Sinne des Gemeinwohls entstehen soll.
Spätestens bei der Entwicklung des Kempener Westens gilt es, sozialverträglichen Wohnraum umzusetzen. Über öffentliche Grundstücke zu verfügen, kann sehr hilfreich sein und ist bei einer Flächenentwicklung und zukunftsweisenden Stadtplanung eine wünschenswerte Voraussetzung. Wenn ich an unsere letzte Sportausschusssitzung denke, war hier einhelliger Konsens, dass wir dringend eigene Grundstücke brauchen. Die Leidtragenden dieser Flächenfehlentwicklung sind aktuell leider die Fußballbegeisterten in St. Hubert. Und dies schon seit Jahrzehnten. Hier holen uns die Nichtaktivitäten der Vergangenheit bzw. das Nichtvorhandensein von Handlungsstrategien ein, weil uns zum Thema „Sport, Bewegung, Freizeit“ eine Vision, eine Leitidee gefehlt hat, an der wir uns als Stadt und Politik hätten orientieren können.
Anrede
Im letzten Jahr haben wir die Berücksichtigung öko-effektiver Bauweisen nach dem Prinzip des Cradle-to-Cradle als ein mögliches Handlungsfeld vorgestellt, da in der nahen Zukunft viele Bauvorhaben (Neubaumaßnahmen und auch gebäudetechnische Sanierungen) im Stadtgebiet der Stadt Kempen anstehen.
Anfang des Jahres haben sich Interessierte aus Verwaltung und Politik im Rahmen eines Besuches des Rathauses der Stadt Venlo über das Bauen nach dem Cradle to Cradle Prinzip informieren lassen.
Das Rathaus in Venlo wurde nicht nur nachhaltig (man kann auch sagen: „nicht weniger schlecht“) konzipiert, sondern leistet auch einen positiven Beitrag für Mensch, Umwelt und Wirtschaft. Die verwendeten Materialien landen nicht auf einer Müllhalde, sondern bekommen nach Ende der Nutzungsdauer ein neues Leben. Hierdurch entsteht ein konstanter Rohstoffkreislauf.
Im Kreisgebiet Viersen ist das Prinzip eines zirkulären und gesunden Bauens längst keine Unbekannte mehr. Mit der Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Kreises Viersen haben wir sogar einen Partner an unserer Seite, der uns bei dem Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft begleiten und unterstützen kann. In naher und mittelfristiger Zukunft haben wir uns bei öffentlichen Gebäuden mit Erweiterungen, Sanierungen und auch Neubauten zu beschäftigen. Beispielhaft seien hier nur die Kindergärten, Schulen und das Rathaus I genannt.
Nutzen wir die Chance und lassen sie uns die geplanten Stabsstellen im Rahmen der zentralen Projektsteuerung auch für die Entwicklung von Standards einer „zirkulären Wertschöpfung“ wie beispielsweise Cradle to Cradle einschließlich eines Monitorings einsetzen.
Nach wie vor steigt der Pegel der Weltmeere immer schneller, die Anzahl der Fluginsekten in Deutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch abgenommen und das Sterben der Insekten beschäftigt uns auch hier in Kempen. Auch der kürzlich verstorbene britische Physiker Stephen Hawking warnte, dass die Welt in Sachen Klimaerwärmung vor einem Dammbruch stehe.
Letztendlich bleibt es dabei – es sind die Maßnahmen auf der kommunalen Ebene, die die größten Erfolge zum Klimaschutz aufweisen. Idealerweise im Rahmen eines ganzheitlichen kommunalen Klimaschutzkonzeptes, was es für Kempen noch zu entwickeln gilt.
Anrede
Ein HH-Entwurf ist das monetäre Abbild der Gestaltung von Politik. Und eine Zustimmung oder Ablehnung würdigt alle 644 Seiten des HHPlanentwurfs und die nahezu 100 Veränderungspositionen. Da wir hier nicht über Teilbereiche abstimmen können, sondern das Gesamtwerk betrachten müssen, werden wir dem HH 2018 konsequenterweise leider nicht zustimmen können, da wir schon im Beratungsprozess um das Rathaus II mit einer Mittelbindung von rund 10 Mio. € nicht zugestimmt haben.
Herr BM, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen In unserer letzten HH-Rede haben wir die Zukunftsgestaltung und positive Weiterentwicklung unserer Stadt als oberstes Ziel der Stadtpolitik hervorgehoben und den Wunsch daran geknüpft, in einen offenen und vertrauenstragenden Dialog aller Ratsfraktionen und der Verwaltungsführung zu treten, um geeignete Ziele, Strategien und Handlungsfelder zu einem lebens- und liebenswertem Kempen 2030 zu entwickeln.
Veränderung liegt nicht nur in der Luft, Veränderung und Wandel sind angekommen – auch in Kempen. Neue Techniken und gesellschaftliche Umbrüche hat es immer schon gegeben, aber die Geschwindigkeit des Wandels ist neu, und sie ist extrem.
Und hier müssen wir uns entscheiden. Wollen wir uns weiter wie „müde Abteilungsleiter“, ohne Leitideen und immer darauf bedacht keine Fehler zu machen verhalten oder gelingt es uns, die Verschiedenheit von Lebenssituationen unserer Bürgerinnen und Bürger in Zeiten großer Veränderungen zu gestalten und damit die Suche nach Stabilität zu begleiten. An uns ehrenamtlichen Politikern liegt es, Begeisterung für das Gemeinsame und den Zusammenhalt auszulösen.
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