Erinnerungskultur

Unser Antrag: Umbenennung der Wilhelm-Grobben-Straße und kritische Aufarbeitung des historischen Kontexts

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Dellmans,

die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellt zur nächsten Sitzung des Kulturausschusses am
06.02.2025 folgenden Antrag:

Der Rat der Stadt Kempen möge beschließen:

1. Die Umbenennung der Wilhelm-Grobben-Straße:

Der bisherige Name „Wilhelm-Grobben-Straße“ wird aufgehoben. Die Straße erhält einen neuen Namen.

2. Eine Überarbeitung der Darstellung Wilhelm Grobbens auf der Webseite der Stadt Kempen:

Die Webseite wird so angepasst, dass die Rolle Wilhelm Grobbens im Nationalsozialismus historisch korrekt und vor allem kritisch dargestellt wird.
Die Bedeutung seiner Funktionen im NS-Regime (u. a. Ortsgruppenleiter der NSDAP, Kreiskulturwart) und seine Propagandaaktivitäten, einschließlich der Unterstützung der Zwangssterilisierung, werden klar benannt.

3. Ein Projekt zur kritischen Auseinandersetzung mit Straßennamen in Kempen:

  • Gemeinsam mit Schüler*innen, Anwohnenden und historisch interessierten Bürger*innen wird eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die bedenkliche Straßennamen in Kempen analysiert.
  • Ziel ist es, Empfehlungen für den Umgang mit belasteten Straßennamen zu erarbeiten und konkrete Vorschläge für deren Umbenennung zu machen.

 

Begründung:

Die Umbenennung der Wilhelm-Grobben-Straße ist ein notwendiger Schritt, um dem historischen Unrecht, für das Wilhelm Grobben als aktiver Funktionär des NS-Regimes stand, Rechnung zu tragen. Seine Position als Ortsgruppenleiter der NSDAP und Kreiskulturwart zeigt, dass er nicht nur ein Mitläufer war, sondern aktiv die Ideologie des Nationalsozialismus propagierte und eine zentrale Rolle in der Schaffung eines Klimas der Unterdrückung und Ausgrenzung spielte. Dies allein macht eine würdigende Benennung einer Straße nach ihm untragbar.

Die aktuelle Darstellung Wilhelm Grobbens auf der Webseite der Stadt Kempen relativiert seine Verstrickung in das NS-System und verschiebt den Fokus auf seine dichterischen Leistungen.

Grobbens Rolle als Kreiskulturwart und Ortsgruppenleiter der NSDAP wird zwar erwähnt, aber in einem relativierenden Ton. Formulierungen wie „offensichtlich mehr als ein Mitläufer“ wirken beschwichtigend und unkritisch, obwohl diese Positionen eine aktive und maßgebliche Unterstützung des NS-Regimes bedeuteten.
Der Text legt viel Wert auf Grobbens Verdienste als Lehrer und Dichter, während seine Rolle im Nationalsozialismus nahezu marginalisiert wird. Der Ausdruck „abgesehen von seiner Rolle während des Nationalsozialismus“ verharmlost die Bedeutung dieser Phase und ihrer Implikationen.

Es wird ausführlich beschrieben, wie bedeutend seine Mundartarbeiten seien, ohne zu hinterfragen, ob und wie diese möglicherweise von der NS-Ideologie durchdrungen waren. Die Betonung seiner lyrischen Erfolge und die „späte Würdigung“ 1980 lenkt von seiner ideologischen Verstrickung ab.

Die Entscheidung, die Straße trotz seiner NS-Vergangenheit nicht umzubenennen, wird mit seinen „Verdiensten“ begründet, was die moralische und historische Verantwortung der Stadt fragwürdig erscheinen lässt. Das Hinweisschild scheint hier nur ein minimaler Kompromiss zu sein.

Im Jahr 2019 wurde auf Grundlage eines Bürgerantrags im Kultur- sowie Haupt- und Finanzausschuss über eine mögliche Umbenennung der Wilhelm-Grobben-Straße beraten. Der damalige Kulturausschuss beschloss die Umbenennung, unterstützt durch eine positive Empfehlung der Verwaltung und des damaligen Bürgermeisters Rübo. Nach der Entscheidung des Kulturausschusses ging eine Stellungnahme des Vereins
VLN Kempen sowie Rückmeldungen von insgesamt einem Ehepaar und drei weiteren Anwohner*innen der Straße ein. In der Vorlage für die anschließende Beratung im Haupt- und Finanzausschuss wurden diese kritischen Haltungen aufgeführt. In der Verwaltungsvorlage wurden unter anderem administrative oder finanzielle Belastungen, die durch eine Umbenennung entstehen könnten, als Einwände gelistet. Die Verwaltung führte damals aus, dass diese Belastungen minimal wären.

Aus unserer Sicht können sie nicht als Hindernis dienen, ein klares Zeichen gegen Rechtsradikalismus und für ein reflektiertes Gedenken zu setzen.
Die relativierende Stellungnahme des VLN zur Umbenennung der Wilhelm-Grobben-Straße war für uns 2019 schon nicht zeitgemäß und würde aus heutiger Sicht sogar als problematisch eingestuft.

Während der kontroversen Diskussionen im Haupt- und Finanzausschuss wurde offen geäußert, dass keine Mehrheiten mehr für die Umbenennung vorhanden seien. Unser Antrag, die Straße umzubenennen und den Beschlussvorschlag um die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zu erweitern, die in Zusammenarbeit mit Schulen und anderen Akteur*innen problematische Straßennamen in Kempen untersuchen und Empfehlungen ausarbeiten sollte, wurde abgelehnt.

Schlussendlich wurde als Kompromisslösung – aus unserer Sicht unter dem Motto „besser als nichts“ – mit knapper Mehrheit beschlossen, den Namen der Wilhelm-Grobben-Straße beizubehalten und stattdessen ein Hinweisschild anzubringen, das auf die NSDAP-Vergangenheit des Heimatdichters verweist.

Ein Straßenschild ist ein Ehrenzeichen. Die Würdigung einer Person mit einer solchen Auszeichnung sollte eine klare Distanz zu Verstrickungen in totalitären Regimen beinhalten. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit Grobbens dichterischem Werk kann auch ohne die Ehrung durch einen Straßennamen erfolgen, z. B. durch wissenschaftliche Publikationen oder Ausstellungen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die damaligen Argumente aus heutiger Sicht weder der historischen Verantwortung noch dem aktuellen gesellschaftlichen Anspruch gerecht werden. Eine Umbenennung der Straße würde daher nicht nur ein klares Zeichen gegen die Verharmlosung der NS-Zeit, sondern auch einen notwendigen Schritt für eine reflektierte und zukunftsorientierte Erinnerungskultur darstellen.

Wir bitten den Rat, die Umbenennung der Wilhelm-Grobben-Straße und die genannten Maßnahmen mit Nachdruck zu unterstützen und damit ein klares Zeichen für Erinnerungskultur, Haltung und Respekt gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus zu setzen.

Joachim Straeten                        Nicole Marquardt                   Janek Straeten
Fraktionsvorsitzender                Stadtverordnete                    Stadtverordneter

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