Haushaltsrede 2017

Rede zum Haushalt 2017 Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Gäste, sehr verehrte Damen und Herren der Verwaltung und der Presse, liebe Ratskolleginnen und -kollegen, sehr geehrter Herr Bürgermeister,

Den Wandel gestalten; Kempen ist lebenswert und soll attraktiv bleiben So selbstverständlich die Aussage auch klingen mag, so herausfordernd ist ihre Gestaltung und Umsetzung. Im Moment haben wir den Eindruck, dass sich das verwaltungs- und parteipolitische Handeln bei uns in Kempen im Krisenmodus der Sanierungsaktivitäten (Stichwort: Kanalbau, Schulcampus) oder Nichtaktivitäten (Stichwort: ganzheitliche Sportentwicklungsplanung) verliert.

Wir können auch sagen, wir verwalten uns nur noch.
\r\nUnd wenn wir dann wahrnehmen müssen, dass der Bürgermeister unter Ausschluss der Öffentlichkeit den Ankauf der drei noch zu bauenden Bürogebäude auf dem Arnoldgelände an der Schorndorfer Straße entschieden haben will oder sich Dezernenten über Umsetzungsaktivitäten von Aufgaben „in die Haare“ kriegen, läuft es aus unserer Sicht grundsätzlich nicht rund in unserer Stadt.

Soweit eine aktuelle Situationsanalyse aus der jüngeren Vergangenheit. An der können wir uns jetzt selbstverständlich parteipolitisch abarbeiten – aber bringt uns das für Kempen weiter?

Viel wichtiger ist es doch Wege zu finden, um aus dieser Sackgasse des NUR Verwaltens wieder herauszukommen.

Von daher stellen sich folgende Fragen: Wie kommen wir dahin eine Vertrauens- und Führungskultur in der Zusammenarbeit innerhalb und auch zwischen Verwaltung und Politik zu stärken, eine transparente, offene, wertschätzende Dialog- und Kommunikationskultur auf diesen Ebenen zu sichern und einen Gesamtzusammenhang fachlicher Konzepte herzustellen. Vielleicht hilft es da, sich auf den Weg zu machen. Ich lade sie daher ein, sich mit uns auf eine Zeitreise in das Jahr 2030 zu begeben.Bevor wir jedoch starten, möchte ich noch ein Zitat von Antoine de Saint-Exupéry mit auf unseren Weg nehmen: „Die Zukunft soll man nicht voraussehen wollen, sondern möglich machen.“ Wir befinden uns also im Jahr 2030: Vor dem Hintergrund der Organisationsuntersuchung aus dem Jahre 2017 und der demografischen Entwicklung der letzten 13 Jahre mit Blick auf die Stadtverwaltung Kempen, ist es uns gelungen eine bürger- und unternehmsnahe, qualitativ hochwertige dienstleistungs- und kundenorientierte Verwaltung zu entwickeln.

Was bedeutet das?

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung fühlen sich in ihrem Arbeitsumfeld motiviert und zufrieden. Die Bürgerinnen und Bürger empfinden sich als wertgeschätzte Kunden. Menschen nehmen die Stadt Kempen als einen attraktiven Arbeitgeber wahr, der Frauen wie Männern berufliche Perspektiven bietet und die Kompetenzen ihrer Mitarbeiter/innen sieht und diese fördert.

Zurück zur Echtzeit:

Die Verwaltungsorganisation stellt gerade in Zeiten des demografischen Wandels ein bedeutsames Handlungsfeld dar. Und hier stellt sich die Frage, ob wir in Kempen über eine systematische Strategie verfügen, um dieser Zukunft 2030 gerecht zu werden. Laut Haushaltsplanentwurf 2017 rechnen wir damit, dass bei uns bis Ende 2027 (weiter gehen die Aufzeichnungen der Stadt nicht) voraussichtlich 149 Beschäftigte altersbedingt ausscheiden werden. Das entspricht knapp 30% der aktuell Beschäftigten. Die Berufe mit dem höchsten Ausscheidungspotenzial sind dabei die Erzieher/innen (35 Beschäftigte).

Bedeutungsvoll und auch alarmierend ist die hohe Anzahl von ausscheidenden Mitarbeitern aus den Berufsgruppen der Hoch- und Tiefbauingenieure sowie der Architekten zu bewerten. In diesem Zusammenhang möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass in 2018 und 2019 jeweils ein Dezernent altersbedingt aus dem Dienst bei der Stadt Kempen ausscheidet. Im Fazit können wir festhalten, dass einerseits Personal vermehrt altersbedingt ausscheidet  und andererseits Nachwuchskräfte schwierig zu gewinnen sind. Neben wenigen möglichen Optimierungspotenzialen in der Verwaltungsorganisation muss unser Hauptaugenmerk darauf gerichtet sein, wie wir uns als Arbeitgeber attraktiv und zukunftsorientiert aufstellen, um geeignete Mitarbeiter/innen aber auch Dezernenten/Dezernentinnen zu gewinnen und diese auch zu halten.

Diese Demografie-Problematik setzt allerdings voraus, dass ein Stellenbedarf nicht nur (so wie es im Moment geschieht) anlassbezogen beim Ausscheiden von Mitarbeitern geprüft wird. Anforderungsprofile bzw. Tätigkeits- und Kompetenzprofile sind ein unabdingbarer Bestandteil einer seriösen Personalbedarfsplanung. Neben der Personalbedarfsplanung ist jedoch auch ein explizites Personalentwicklungskonzept ein zentraler Bestandteil der Arbeitgeberattraktivität, das die Mitarbeitenden individuell fördert. Eine gute Beschreibung von Tätigkeits- und Kompetenzprofilen gibt uns die Möglichkeit, die Potenziale der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die ganze Stadtverwaltung zu nutzen. Hierzu zählt unabdingbar die Gleichstellung von Frauen im Berufsleben, insbesondere auf den Führungsebenen. Unser Anspruch soll und kann es nur sein, die Besten für Kempen zu gewinnen.

Die seit einigen Jahren verstärkte Berichterstattung über häufiger auftretende Umweltkatastrophen und Extremwetterereignisse sowie über den Umbau des Energieversorgungssystems rücken die Klimaschutzthematiken immer stärker in das Bewusstsein der Bevölkerung. Experten sind sich einig, dass der gegenwärtig beobachtbare Klimawandel zu einem großen Teil auf die vom Menschen ausgestoßenen Treibhausgase zurückzuführen ist. Allein die Sektoren Verkehr und Gebäude sind heute in Deutschland für rund 70 % des Endenergieverbrauchs und für knapp 40 % aller CO2-Emissionen verantwortlich.

Folglich stehen die Städte und Gemeinden mit ihren zahlreichen Akteuren aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft in der Pflicht, da Maßnahmen zum Klimaschutz die größten Erfolge auf der kommunalen Ebene aufweisen. Angesichts dieser Tatsache hat Kempen das Ziel bis 2030 ein nachhaltiges Umweltbewusstsein in der Bevölkerung zu stärken sowie seinen CO2-Ausstoß und seinen Energieverbrauch deutlich zu reduzieren (nach Maßgabe eines kommunalen Klimaschutzkonzeptes) und ist auf dem Weg zu einer nachhaltigen Mobilität, sprich unser ÖPNV ist optimal auf die Bürgerwünsche eingestellt und E-Mobilität eine Selbstverständlichkeit. Die Berücksichtigung öko-effektiver Bauweisen nach dem Prinzip des Cradle-to-Cradle können hier ein Handlungsfeld sein, da in der nahen Zukunft viele Bauvorhaben (Neubaumaßnahmen und auch gebäudetechnische Sanierungen) im Stadtgebiet der Stadt Kempen anstehen. Die öko-effektive Bauweise des Cradle-to-Cradle steht für kontinuierliche biologische und technische Stoffkreisläufe. Gebrauchsgüter werden nach ihrer Nutzung in sortenreine Ausgangsstoffe zerlegt und ohne Qualitätsverluste recycelt. Beim Bau und der Sanierung von Gebäuden sind aus unserer Sicht dabei nicht nur ökologische und ökonomische, sondern auch gesundheitliche Belange der Nutzer/innen zentral zu berücksichtigen. Ich kann mich an eine Veranstaltung im Kreishaus Viersen im Juni 2016 zu dem Thema „Warum Verschwendung nützlich ist“ erinnern, an der auch Sie, Herr Bürgermeister, aus meiner Wahrnehmung angeregt teilgenommen haben.

Zurück zu C2C.

Kreislauffähige, flexible, werthaltige und gesunde Immobilien bieten gute Lebens-, Lern- und Arbeitsräume mit einer möglichst geringen Schadstoffbelastung durch Baustoffe und Einrichtungsgegenstände sowie einer bestmöglichen Luftqualität. Als Leuchtturmprojekt bietet sich besonders das neu zu errichtende Rathaus an. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beraten die Bürgerinnen und Bürger in offenen und hell durchleuchteten Räumlichkeiten. Nutzung umweltschonender Materialkreisläufe bei der Fassadenbegrünung. Ein Dach mit entsprechender Begrünung kann zu einem Ort der Begegnung für Mitarbeiter und Bürger werden. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob eine Nutzungsdauer von 80 Jahren überhaupt erstrebenswert ist, da die Erledigung von Verwaltungsaufgaben mit zunehmender Digitalisierung in 80 Jahren definitiv anders aussehen wird und dann andere Anforderungen an die Beschäftigten und die Bauweisen eines Gebäudes gestellt sein werden.

Begleiten sie mich weiter auf einen Blick in die Zukunft. Mit dem nächsten Beispiel möchte ich auch gerne zum vorläufigen Abschluss unserer Überlegungen kommen, wohlwissend das viele Fragen heute offen bleiben müssen. Laut dem aktuellen Kreismonitoring des Kreises Viersen hat die Bevölkerung Kempens zwischen 2004 und 2014 von 36.358 um 1.728 Einwohner abgenommen. Das ist ein Verlust von 4,8% und stellt die zweithöchste Verlust-Quote im Kreisgebiet dar. Eine Bevölkerungsprognose für das Jahr 2040 bescheinigt uns in einer Modellrechnung sogar einen weiteren Verlust von rd. 2.430 Einwohnern.  Die durchaus spannende und wichtige Differenzierung nach Altersgruppen möchte ich im Moment für heute noch außen vor lassen.

Was machen wir jetzt mit diesem Wissen?
\r\nMit dieser Bevölkerungsentwicklung können wir uns jetzt abfinden oder versuchen ein Ziel zu beschreiben, um dieser Talfahrt aktiv entgegenzuwirken. Lassen Sie uns gemeinsam Handlungsaktivitäten entwickeln. In diesem Zusammenhang ließe sich ein Ziel folgendermaßen umschreiben: Hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung ist die Stadt Kempen durch eine sozial- und umweltgerechte Stadtentwicklung geprägt. In 2030 haben 36.000 Menschen ihren Hauptwohnsitz in der Stadt mit für sie preiswertem Wohnraum gefunden. Um preiswertes Wohnen zu realisieren und das Problem der auslaufenden Belegungsbindungen in den öffentlich geförderten Wohnungsbeständen zu lösen, kann die Gründung einer Bau- und Entwicklungsgesellschaft in der Stadt Kempen hilfreich sein.

Die Bautätigkeit (geprägt vor allem durch Neubauten von Einfamilienhäusern) der letzten Jahre in Kempen zeigt, dass der private Wohnungsmarkt nicht in der Lage ist, quantitativ und qualitativ alle Bevölkerungsgruppen mit bezahlbaren Wohneinheiten zu versorgen. In Marktsituationen mit einer wachsenden Nachfrage ist davon auszugehen, dass vor allem einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen zunehmend Schwierigkeiten haben, sich aus eigener Kraft mit Wohnraum zu versorgen. Dazu gehören nicht nur Personen, die soziale Transferleistungen empfangen, sondern z.B. auch Auszubildende, Studenten, Geringverdiener, Alleinerziehende, Familien und Senioren. Ich denke beispielhaft an Facharbeiterinnen und Facharbeiter aus dem Friseurhandwerk, aus dem Verkaufsbereich, aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe und aus dem Lager- und Handwerksbereich. Die Gründung einer eigenen Bau- und Entwicklungsgesellschaft bietet daher der Stadt Kempen eine eigene Steuerungsmöglichkeit im Wohnungsmarkt. Gleichzeitig kann es uns dadurch gelingen, den negativen Trend der Bevölkerungsentwicklung aufzuhalten.

Sie mögen mich fragen, was diese Themen mit der Verabschiedung eines HH zu tun haben. Ich antworte ihnen – ALLES. Denn ohne Inhalte sind die Zahlenkolonnen eines HH nichts. Der HH ist und bleibt nur das monetäre Abbild unseres Lebens in dieser Stadt und nicht mehr – und schon gar keine Drohkulisse.

Durch den demografischen Wandel und die sich verändernden sozialen und familiären Bedingungen werden attraktive Städte mit guten Infrastrukturen und umfangreichen Dienstleistungsangeboten immer wichtiger für die Menschen. Denn Wohnen, Wirtschaft, Öffentliches Leben sowie Kultur sind die Indikatoren von Lebensqualität, die für die Wahl des Lebensumfeldes prägend sind. Nur Städte, in denen der Fokus auf der Steigerung der Lebensqualität liegt, haben somit eine Zukunft. Die Zukunftsgestaltung und positive Weiterentwicklung unserer Stadt ist oberstes Ziel der Stadtpolitik. Von daher erhoffen wir uns einen gemeinsamen Impuls aller Ratsfraktionen und der Verwaltungsführung in einen offenen und vertrauenstragenden Dialog zu treten.

Lassen Sie uns gemeinsam Ziele für Kempen 2030 definieren.

Noch mal ins Hier und Heute: Keine Elternbeitragsentlastung, höhere Straßenbaubeiträge mit einer Satzung, die Politik aus Verwaltungshandeln ausschließt,  Verwaltungsgebäude, die an der Öffentlichkeit vorbei gekauft werden sollten, eine unerträgliche Ausschweifung an Machbarkeitsstudien zur Burg führen in diesem Jahr zu einem NEIN zum Haushaltsplanentwurf 2017.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Joachim Straeten

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