In zahlreichen Kommunen ist gerade große Aufregung ausgebrochen. Die Frage, um die es dabei geht: Kann und muss der Schulträger nicht die Schulen mit sogenannten „Mobilen Luftreinigern“ ausstatten?
Diskutiert wird dabei vor allem gerne über die Anschaffungs-Kosten, die doch nur wenige Euro pro Einwohner betragen würden und das uns das doch die Gesundheit der Kinder wert sein sollte.
Das muss man zunächst fett hervorheben: Die Gesundheit von Kindern ist nicht in Euro zu bemessen.
Gleichwohl muss man natürlich auch sagen: Geld im wahrsten Sinne des Wortes „zum Fenster hinauswerfen“ macht auch wenig Sinn. Was also sollte man machen?
Die mobilen Luftreiniger, die geeignet sind Luft so zu reinigen, dass auch Viren gefiltert werden, brauchen eine sehr hohe Wirkungsklasse (HEPA 13 oder 14). Solche Filteranlagen müssen, das erklärt sich vermutlich von selbst, sehr umsichtig und regelmäßig gereinigt und gewartet werden. Das kostet Geld, viel Geld und übersteigt die Anschaffungskosten sehr schnell bei weitem. Passiert das aber nicht fachgerecht, können solche Geräte schnell mehr Schaden anrichten, als das sie helfen.
Es ist also nicht damit getan, die Geräte zu kaufen.
Daneben besteht das Problem, dass solche Filteranlagen nicht die Luft tauschen, das bedeutet, dass z. B. CO2 und Luftfeuchtigkeit nicht abgeführt und keine Frischluft zugeführt werden.
Das Umweltbundesamt hat ein sehr spannendes PDF dazu veröffentlicht, dass die Frage nach dem Einsatz in Schulen beleuchtet. Darin heißt es dann unter anderem:
Vor Einsatz solcher Geräte ist zudem der Beitrag zum Infektionsschutz konkret durch Berücksichtigung der Leistungsdaten (z. B. Luftdurchsatz und Abscheidegrad) sowie der Einsatzbedingungen (z. B. Raumverhältnisse, Belegungsdichte, Belegungsdauer, Anordnung des Luftreinigers im Raum) fachgerecht zu bewerten. Eine Nutzung mobiler Luftreiniger ohne diese Prüfungen ist nicht sinnvoll.
Mobile Luftreinigungsgeräte sind nicht dafür ausgelegt, verbrauchte Raumluft abzuführen bzw. Frischluft von außen heranzuführen; sie leisten daher keinen nennenswerten Beitrag, das entstehende Kohlendioxid (CO2), überschüssige Luftfeuchte und andere Stoffe aus dem Klassenraum zu entfernen.
Daneben besteht noch das oft außer acht gelassene Problem der Geräuschentwicklung. Wer eine „Mobile Klimanalage“ (sogenannte „Monoblock-Anlagen“) besitzt kennt das Problem und weiß, dass konzentriertes Arbeiten dann kaum möglich ist, wenn die Geräte laufen. Wer schon mal Entfeuchter im Keller stehen hatte, kennt das auch. Und ja, auch „leise“ Geräte sind verfügbar, aber eben nicht „geräuschlos“.
Und was für Geräte kaufen die Schulen? So etwas wie ein Siegel, dass eine Eignung für den Einsatz in Klassen erkennbar macht, gibt es natürlich auch nicht. Es müsste die Effektivität bewerten, die Geräuschentwicklung und die Nutzbarkeit so klassifizieren, dass Schulen vor dem Kauf erkennen können, das richtige Gerät für den richtigen Zweck zu erwerben.
Bedeutet das jetzt, dass man drauf verzichten soll oder nicht?
Wie immer ist diese Frage nicht schnell und einfach zu beantworten. Solche Geräte können in bestimmten Situationen unterstützend helfen.
Sie sind aber alles andere als die derzeit propagierte Universallösung.
Was jetzt zu kritisieren ist:
Das Land, die Landesregierung um genau zu sein, und das Schulministerium hätten die letzten Monate nutzen müssen, um solche Anlagen zu „standardisieren“. Schulen müssen wissen, ob und wann solche Anlagen eingesetzt werden können, wo sie sie bekommen und wie die Wartung organisiert wird. Und ja, auch wer die Kosten übernimmt.
Denn diese sind, wie beschrieben, nicht ohne und durch die Schulen nicht zu stemmen. Aber eben auch nicht durch die Kommunen, die insbesondere durch COVID-19 ohnehin erheblichen zusätzlichen finanziellen Belastungen ausgesetzt sind und mit massiven Steuerausfällen rechnen müssen.
Das ist keine schöne Situation und man kann und sollte zu Recht fragen, warum es den Eindruck macht, dass die Landesregierung in den vergangenen Monate keine anderen Konzepte für Schulen als „alle 20 Minuten Stoßlüften“ herausgegeben hat. Man muss aber eben auch sehen, dass es keine Wundermittel gegen eine Pandemie gibt. Wer jetzt nach der Anschaffung solcher Geräte ruft, vielleicht gar zu „Spendenaktionen“ auffordert, der läuft Gefahr mehr Schaden anzurichten, als das es hilft.
Und die Lösung?
Die Lösung ist das Problem. Wer auch immer eine Lösung findet, die sich schnell und ohne große Nachteile umsetzen lässt, der hat vermutlich diverse Nobelpreise verdient. Und man wünscht, es gäbe so jemanden in NRW, Deutschland oder auf der Welt. Aber wir stehen mit dem Problem nicht alleine da.
Was also passieren wird ist, dass man die Kinder so lange wie es möglich möglichst „normal“ beschult. Dabei spielt uns in die Hände, dass wir nicht in wirklich kalten Regionen wohnen, Kempen ist auch im Winter was die Temperaturen angeht gemäßigt. Und wenn die Bedingungen so werden, dass eine Beschulung vor Ort ohne Gefahr für die Gesundheit der Kinder nicht möglich ist – sei es wegen der Temperaturen oder steigender Infektionszahlen, werden wir wieder über Möglichkeiten der Online-Lehre reden müssen.
Ist das schön? Nein.
Können wir es aushalten, bis ein Impfstoff verfügbar ist? Vermutlich.
Und gleichzeitig sollten wir darauf vertrauen, dass auch im Schulministerium und in den kommunalen Verwaltungen jeden Tag viele Menschen darüber nachdenken werden, ob es nicht (bessere) Lösungen gibt. Und wie diese schnell umgesetzt werden können.
Fest steht nur: Mobile Luftreiniger (allein) lösen kein Problem. Sie symbolisieren nur unsere Hoffnung, dass Technik uns aus jeder Krise retten kann. Und deswegen sollten wir die Diskussion über das ob, ob nicht, warum und wieso auch sehr unaufgeregt führen. Das sind wir den Schulen, den Kindern und den Lehrkräften schuldig.
Ja, wir brauchen eine Lösung für das Problem der Raumluft in den Klassenzimmern.
Nein, wir sollten nicht die Erstbeste nehmen, sondern die Beste!
Und bis wir die haben, können und müssen wir mit Kompromissen leben. So ärgerlich das manchmal auch ist.
P. S.: Was das Thema angeht, sind wir keine Wissenschaftler*innen. Hinweise, Korrekturvorschläge zum Inhalt des Textes oder umsetzbare innovative Ideen werden gerne entgegengenommen!
Monika Schütz-Madré
Stellvertretende Bürgermeisterin
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