Im Sommergespräch mit der Rheinischen Post mahnen die Kempener Grünen mess- und sichtbare Fortschritte bei der Stadtentwicklung an. Ein Krisenmanagement fehle. Es gäbe zu viele Baustellen innerhalb der Stadtverwaltung. In den vergangenen Jahren hatten die Kempener Grünen immer wieder angemerkt, dass es den Verantwortlichen im Kempener Rathaus an Visionen fehle, wie sich die Stadt in den kommenden Jahren entwickeln solle.
Diese Visionen fehlen auch heute noch. Gleichwohl haben die Grünen nun einen Stillstand in vielen Bereichen ausgemacht, der viel schlimmer sei. Es bewege sich zu wenig. „Ein Krisenmanagement fehlt komplett“, kritisiert Grünen-Fraktionssprecher Joachim Straeten im Sommergespräch mit der Rheinischen Post.
Sinnbild dieser Entwicklung ist aus seiner Sicht die Entscheidung des zuständigen Beigeordneten Michael Klee, nach dem unerwarteten Wechsel der langjährigen Leiterin des Jugendamtes, Heike Badberg, von Kempen nach Krefeld die Amtsleitung nun vorübergehend selbst zu übernehmen. „Es kann nicht Aufgabe eines Dezernenten sein, ein Amt in seinem Dezernat selbst zu leiten – und sei es auch nur übergangsweise“, meint Straeten. Dadurch würde Klee seiner Führungsaufgabe in anderen wichtigen Ressorts – er ist als Dezernent auch für die Bereiche Schulen, Soziales und Sport zuständig – nicht mehr gerecht.
Sechs Gruppierungen und ein UnabhäSeit der Kommunalwahl 2014 sind fünf Parteien und eine politische Gruppierung im Kempener Stadtrat vertreten. Seit Ende vorigen Jahres Jahres gehört Jeyaratnam Caniceus (vormals Grüne) als Unabhängiger dem Rat an. Die 44 Ratssitze verteilen sich folgendermaßen: CDU: 20 Sitze, SPD: 11 Sitze, Grüne: 5 Sitze, FDP: 3 Sitze, Freie Wähler Kempen: 2 Sitze, Linke: 2 Sitze und der Sitz von Caniceus. Die nächste Kommunalwahl findet im Jahr 2020 statt.
Das Beispiel zeige, wie dringend die Stadtverwaltung ein Personalentwicklungskonzept benötige. Das haben die Grünen in den vergangenen Jahren mehrfach gefordert. Nun sei es aber noch dringender erforderlich, um qualifiziertes Personal für die erforderlichen neuen Stellen und diejenigen Positionen, die beispielsweise auf Amtsleiterebene in nächster Zeit frei werden, zu finden.
Nach Ansicht der Grünen-Fraktion müsste sich der Bürgermeister an die Spitze des Veränderungsprozesses stellen. „Wir wünschen uns einen Gestalter“, betont Grünen-Ratsmitglied Ute Straeten. Volker Rübo sei von jeher eher ein Verwalter als ein Gestalter. Er müsste aber nun die Initiative ergreifen und die Prozesse in Gang bringen. Ob Rübo dazu in der Lage ist oder dies überhaupt will, bezweifeln die Grünen.
Im Rathaus reagiere man viel zu spät auf Veränderungsprozesse in der Gesellschaft. Bestes Beispiel ist die gestiegene Nachfrage nach Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren. Da habe Kempen noch vor einigen Jahren als leuchtendes Vorbild für die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen gegolten, als man die gesetzliche Quote bei der U-3-Betreuung seinerzeit als eine der ersten Kommunen im Land erfüllt hatte. Heute hinke Kempen hinterher und habe große Probleme, den erheblichen gestiegenen Bedarf an Betreuungsplätzen zu befriedigen. Auch hier fehlten Leitideen. Lange habe man Tagesmütter nicht berücksichtigt. Jetzt, wo man sie dringend brauche, gäbe es kaum Interessentinnen, stellt Grünen-Ratsmitglied Monika Schütz-Madré fest.
Die Probleme in der Bauverwaltung sind bekanntlich vielfältig. Bauliche Verbesserungen in den Schulen kämen nur schleppend voran. Im Schulzentrum Süd (vor allem in der Regenbogenschule) fehle Platz – auch für die Ganztagsbetreuung in der Schule (OGS). Eine Mensa müsse her. „Es kann nicht sein, dass die Kinder nur in mehreren Schichten zu Mittag essen können“, meint Monika Schütz-Madré. Die einzige Schule in Kempen, die kein Raumproblem habe, sei die Astrid-Lindgren-Grundschule, weil sie Räume der vor einigen Jahren aufgelösten benachbarten Friederich-Fröbel-Schule nutzen könne.
Dringend weitergehen müsse es beim Projekt „Schulcampus Kempen“. Es könne nicht sein, dass Stillstand herrsche, nur weil eine damit beauftragte Mitarbeiterin der Bauverwaltung längerfristig erkrankt sei und kein anderer Mitarbeiter im Hochbauamt wisse Bescheid, kritisiert Monika Schütz-Madré. Auch die Digitalisierung der Schulgebäude sei „katastrophal“. Ute Straeten geht sogar soweit vorzuschlagen: „Wir sollten überlegen, ob wir nicht ein komplett neues Schulzentrum bauen. Das wäre unterm Strich auf Sicht sicherlich kostengünstiger als die bestehenden Gebäude zu sanieren.“ Ein Ersatzneubau fürs Luise-von-Duesberg-Gymnasium sei sinnvoll. Der sollte dann in besonders umweltfreundlicher und nachhaltiger Bauweise nach dem Prinzip „Cradle-to-Cradle“ errichtet werden.
Besondere Unterstützung benötige die Gesamtschule. „Sie befindet sich noch immer in der Aufbauphase, startet bald mit der Oberstufe. Sie muss zukunftsfähig sein“, meint Monika Schütz-Madré. Es müsse ein pädagogisches Gesamtkonzept für alle Schulen her im Sinne von „Schule der Zukunft“.
Bei den wichtigen Projekten der Stadtplanung müsse der neue Technische Beigeordnete Marcus Beyer nun liefern. Bei „Kempen-West“ herrsche ebenfalls Stillstand wie bei der Förderung von Mietwohnungsbau in Kempen. Ob Letzteres nun über eine eigene städtische Wohnungsbaugesellschaft – die hatten die Grünen vor einigen Jahren bereits ins Gespräch gebracht, waren mit ihrem Ansinnen aber an der Mehrheit im Stadtrat gescheitert – vorangebracht werde oder über ein im Rathaus angesiedeltes Gebäudemanagement sei dabei nicht entscheidend. „Wichtig ist, das endlich überhaupt etwas geschieht“, sagt Joachim Straeten.
Kempen brauche – wie vergleichbare Städte – einen eigenen Wirtschaftsförderer. Der sollte am besten sein Büro im Technologiezentrum Niederrhein am Industriering Ost und damit „am Puls des Wirtschaftslebens“ haben.
In der Rückschau auf die Diskussion um den Umbau des „Aqua Sols“ unterstreichen die Grünen, dass es aus wirtschaftlichen Gründen richtig sei, das Badezentrum umzustrukturieren. Damit mache man es zukunftssicher. Die Stadtwerke hätten da „ein überzeugendes Konzept“ mit einer guten Mischung aus Freizeit- und Gesundheitsbad vorgelegt. Allerdings kritisieren auch die Grünen, dass die Stadtwerke mit den Badnutzern zu wenig und zu spät in der Sache kommuniziert hätten. Missverständnisse hätten bereits im Vorfeld der Diskussionen vor den Ferien vermieden werden können.
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